Geheimnisse um Rongorongo

Der Stuttgarter Künstler Michael H. Dietrich ist seit Jahrzehnten den Geheimnissen der Schriftzeichen auf der Spur

Geboren 1940 lernte er im Atelier seines Vaters Malmittel und Maltechniken kennen und beherrschte die Grundlagen der Gestaltung in einem Alter, in dem andere vielleicht erst anfangen, sich für Kunst zu interessieren. Michael H. Dietrich besuchte die Schule in Lübeck, es folgten Lehr- und Wanderjahre im Mittelmeerraum. Später leitete er in Stuttgart als Geschäftsführer eine kleine Werbeagentur und die künstlerische Tätigkeit trat zunächst in den Hintergrund.

Charakteristisch für seine Arbeiten ist Metall in gehämmerter, also hauchdünner Form als grundlegendes Gestaltungselement. Verwendet wird Gold, das es in vielen verschiedenen Farben gibt, aber auch Silber, Kupfer, Aluminium, Blei, Schlagmetall (auch falsches Gold genannt) und neuerdings Zinn. „Ich stelle fest, dass die Natur wieder in den Focus meiner Arbeit rückt. Den Kontrast zwischen den leblosen Metallen und der belebten Natur finde ich sehr reizvoll“, so Michael H. Dietrich

 

 

 

 

Auf großer Fahrt

Format: 50 x 40 cm, Öl auf Bleifolie, kaschiert auf Hartfaserplatte

Wellen im tiefblauen Ozean, eine Insel und eine Wolke, hoch oben am dunklen Himmel ein leichter Bogen der Zeichen, die als Sterne den Navigatoren in der Südsee ihren Weg zu den Inseln zeigten. Ein einfaches Szenario aber in einer mystischen Atmosphäre, denn der Bilduntergrund ist ungewöhnlich: Blei. Keine Palette kann die Farbe wiedergeben, die über die Bleifolie erkennbar wird. Je nach Licht und je nach Standort vor dem Bild trifft den Betrachter eine wechselnde Stimmung. Die Erklärung der Zeichen sprengt hier den Rahmen. Ob sie auch wirklich erforderlich ist, sei dahin gestellt. Wenn auch das letzte Geheimnis eines Bildes der rationalen Erklärungssucht geopfert wird zerstört man das, was die Kunst des Malens ausmacht: Fantasie anregen.

 

Ao in der Höhle

Format: 30 x 8 cm. Das Holz ist Kallus (der Wundverschluss, den Bäume ausbilden, wenn sie verletzt wurden) von einer Fichte, das Paddel aus Mammutelfenbein, der Würfel aus Plexiglas, die Einfassung Edelstahl, innen teils vergoldet.

Höhlen sind auf der Osterinsel von ganz besonderer Bedeutung. Sie waren der sichere Aufbewahrungsort für die Familienschätze. In einigen durch Zufall entdeckten Höhlen fand man tatsächlich solche Kult- oder Tanzpaddel.

 
 

Sie sind angekommen

Format: 40 x 95 cm (gerahmt), Material ist Atlantik-Treibholz, Sand, Pazifikmuscheln, Zeichen: Mammut-Elfenbein, Treibhölzer sind vom Meer gestaltete Kunstwerke. Findet man sie, genügt es, sie aufzuheben, zu trocknen und ihnen einen würdigen Platz zu geben. Das Stück stammt von der französischen Atlantikküste, es wurde nur gebeizt.

Der Sinn und Zweck der Navigation nach Sternen ist natürlich, nach einer gefahrvollen und entbehrungsreichen Fahrt das anvisierte Ziel auch zu erreichen. Sand unter den Füssen war gewiss ein ganz großes Glücksgefühl. Dieses Objekt ist eine Hommage an die erfolgreichen Navigatoren in der Südsee.

Moko in der Perlenhöhle

Format: Höhe 30 cm, Breite 38 cm, Tiefe 27 cm, ca. 2,4 kg. Materialien: Buchenholzwurzel, portugiesisches Olivenholz, Ebenholz, Vogelaugenahorn-Furnierholz gebeizt, Mammutelfenbein, suüdamerikanisches Büffelbein, Bernstein von der Ostsee, französische Süsswasserperlen, Korallenbruchstück aus Italien, Perlmutt aus der Südsee, versteinerter Ammonit aus Deutschland, echte dunkle Pazifikperle, Chrysokoll aus Indien, Achat aus Südamerika, Tätowierung mit China-Tusche.

Die schwarz gebeizte Figur, die einer Echse ähnelt, wird auf der Osterinsel „Moko“ genannt. Sie ist aus dem massivem Holz gearbeitet. Über den Bauch ist sie mit einem Steg noch mit dem Holzstück verbunden. Die sehr skurrilen Figuren oberhalb der Höhle sind Vorgaben von der Natur. Die drei Olivenholzstücke auf denen das Objekt steht, symbolisieren den leichten Wellenschlag am Ufer auf dem Strand.

 
 

Kanopus

Format: 20 x 15 cm, teils versilbert, ovale Platte Ebenholz, Figur Mammutelfenbein.

Die aufrecht stehende Figur symbolisiert in Rongorongo möglicherweise den hellen Stern Kanopus, der auf der nördlichen Halbkugel nicht zu sehen ist. Das Original des Zeichens ist als Kontur in Holz geritzt lediglich 8 bis 12 Millimetern groß.

Kunst und Wissenschaft schließen sich nicht aus

Der Künstler Michael H. Dietrich will mit seinen Werken eine Verbindung zwischen Kunst und Wissenschaft herstellen und stellt sich die Frage:

Könnte es nicht sein, dass die Schriftzeichen Rongorongo in Wirklichkeit Abbilder des Sternenhimmels waren? Es gibt in den Sprachen auf den Inseln im Pazifik kein Wort für Navigation. „Wir fahren doch nur in unseren Booten im Meer auf den Wegen, die unsere Ahnen (das sind Sterne) am Himmel in der Nacht vor uns her ziehen“, sagten die Menschen. Das aber war die Navigation der Seefahrer im Stillen Ozean. Sie navigiert über Hunderte, oder wie manche Forscher glauben, sogar über mehr als Tausend Hinweise aus der Natur, die sie zu deuten wussten. Es waren die Wellen und die Wolken, es waren Vögel in der Luft und Fische im Wasser, Seetang, Treibhölzer, die Dünung, die Farbe des Wassers und die Temperatur.

 

In der Nacht folgten sie den Sternen zur zielorientierten Navigation. Leider haben es die Wissenschaftler versäumt, Fragen zu stellen, als es noch Antworten gegeben hätte. Sie fragten nach den Geheimnissen der Sternnavigation erst, als es kaum noch Antworten gab. Überall auf der Welt kannten Menschen Sternbilder und Himmelsmythen, so natürlich auch im Pazifik. Dort waren es bildhafte Vorstellungen, die man mit allem verband, was man heute unter astronomischem Wissen aus alter Zeit versteht. Die Milchstraße beispielsweise war ein großer Hai, der Stern Beteigeuze im Sternbild Orion war einer der Stützsterne, die den Himmel trugen. Ein Atua, also ein vergöttlichter Ahn, saß an der Stütze, um sie zu halten. Könnten diese bildhaften Vorstellungen nicht die eingekerbten Zeichen auf den wenigen erhalten gebliebenen hölzernen Tafeln und einem Stab der Osterinsulaner sein?

Michael H. Dietrich widmet seine Kunst den Meistern im Pazifik, deren großartiges Wissen bis heute zu wenig Beachtung fand. Rongorongo als „eingekerbtes Sternenwissen“, das ist seine Idee seit mehr als 40 Jahren.

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