So sieht der Sprachwissenschaftler Steven Roger Fischer eine Möglichkeit für die Übersetzung der sprechenden Hölzer
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Schrifttafel der Osterinsel Quelle: Ramirez/Huber Neben den großen Moaisstatuen aus Lavatuff haben die hölzernen Schrifttafeln viel zum Ruhm und den Rätseln der Osterinsel beigetragen. Einst muss es Hunderte von Tafeln und beschriftete Holzstäbe gegeben haben, erhalten sind noch reichlich 20. Sie sind weniger als 250 Jahre alt und gelten als Kopien der Originale. Der Rest ist vermodert oder wurde verbrannt. Ihre exakte Bezeichnung lautet: Kohau Motu Mo Rongorongo, was mit: „Zeilen der Schrift für Rezitation“ übersetzt werden kann. |
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Der französische Pater Eugéne Eyraud gilt um 1864 als Entdecker der Tafeln, siehe sein Bericht unter „Reisende der Vergangenheit, 1864. In jedem Haus gab es bei seinem Aufenthalt noch Holztafeln, die bedeckt waren mit Hieroglyphen. Die Zeichen wurden durch Ritzen mit einem scharfen Stein hergestellt. „Jedes der Symbole hat einen Namen und es scheint, dass die Zeichen immer nur noch kopiert werden“, so Eyraud. Er berichtet weiter über die Verwendung: „Man hielt sie wie ein Blatt Papier in den Händen und begann eine Art Gebet zu sprechen. Die Tafeln wurden dabei in kurzen Abständen von der Vorder- auf die Rückseite gedreht und die Texte waren vermutlich eine Art Erinnerungshilfe an einen Text, den man in der Jugend mal auswendig gelernt hatte. Schon bei der Frage, bei welcher Tafel welcher Text zu sprechen sei, war man sich uneinig.“ Dem tahitischen Bischoff Jaussen, der von Eyraud von den Tafeln erfahren hatte, ist die Rettung einiger weniger Tafeln zu danken. 1868 gelangte eine mit 16 Meter geflochtenem Frauenhaar umwickelte Kohau Rongo Rongo (sprechendes Holz) nach Tahiti. Bischof Jaussen entdeckte darauf fremdartige, linienförmig eingeritzte Zeichen: Fische, Palmen, Schildkröten, Menschen, grafische und phallische Symbole. Der nach Tahiti ausgewanderte Osterinsulaner Metoro las ihm Texte vor, die, wie sich herausstellte, unabhängig von der Tafel waren. Dies konnte bei späteren Vorlesern immer wieder festgestellt werden. Für sie alle waren die Tafeln wie ein Kultgegenstand bei der Rezitation. Es ist auch nicht bekannt, ob die Zeichen immer unverändert kopiert wurden oder die Schreiber ihre künstlerischen Ambitionen einfließen ließen. Einer der letzten Osterinselkönige, Nga Ara soll noch im 19. Jahrhundert eine Bibliothek aus mehren hundert Tafeln besessen haben, die er allerdings in einer Höhle versteckt hatte. |
Versuch der Übersetzung einzelner Zeichen Quelle: Leopold/Herrgott |
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Rongorogotafeln mussten beim Lesen ständig gedreht werden
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Die englische Forscherin Katherine Routledge fragte 1915 einen Einheimischen nach der Übersetzung und bekam zur Antwort:„Unsere Worte sind neu, aber die Zeichen sind alt“. Die Sachbuchautoren Leopold und Herrgott (siehe Literaturverzeichnis) kommen nach ihren Recherchen zu folgendem Fazit: Die Schrift teilt sich in mehrere Gruppen: mythologische Texte über Make Make und wie er die Welt erschuf, Legenden von König Hotu Matua und die nachfolgenden Könige, Berichte aus der Zeit der Sklavenjäger, eine Liste mit Mondmonaten und Übertragung in europäische Jahreseinteilung, Angaben zum Wetter und der Verrichtung landwirtschaftlicher Arbeiten, Bezeichnung verschiedener Arten von Süßkartoffeln, Liedtexte für Rongo Rongo-Zeremonien, kurze Gedichte und sogar ein Teil der christlichen Genesis. |
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Eine Seite aus dem Schriftheft von Tomenika (1915) Dass diese Tafeln offenbar auch einen künstlerischen Zweck besaßen, zeigt die Schrifttafel „Fisch“ Die Schrift wird von rechts nach links gelesen und beginnt rechts unten, danach muss die Tafel umgedreht und wieder die unterste Zeile, rechts beginnend gelesen werden. Das wurde daraus geschlussfolgert, dass bei manchen Tafeln die Zeilen nach oben hin immer gedrängter geschrieben wurden, damit der vorgesehene Text auch noch auf die Tafel passt. Unter Leopold (S. 101f ) findet sich eine Aufstellung der vorhandenen Tafeln. Die einzige, in Deutschland vorhandene Tafel ist im Berliner Völkerkundemuseum zu besichtigen. Sie wurde 1883 erworben, ist 103 Zentimeter lang und etwa 13 Zentimeter breit. Vermutlich handelt es sich um ein Kanuteil mit einem außerordentlich schlechten Erhaltungszustand. Insgesamt sind weniger als zehn Prozent des ursprünglichen Textes noch zu lesen. |
Die meist verwendeten Schriftsymbole sind Vogelköpfe mit hakenförmigen Schnäbeln und langohrige Menschen. Bislang hat man rund 13.000 verschiedene Zeichen auf den Tafeln gefunden, von denen sich etwa 3.000 ähnlich sind (Zahlenangaben nach Josef Schmid). Darunter sind: Vogelkörper mit drei oder viereckigen Menschenköpfen, Menschenkörper mit drei Fingern an jeder Hand, einem Monsterkopf und einem weit aufgerissenem Mund, katzenartige Tiere, Fische, Sonne, Sterne, Mondsicheln, Schlangen und Kultsymbole. Rund 160 der bekannten Zeichen zeigen eine Ähnlichkeit mit der Schrift der Kultur von Mohenjo Daro (Pakistan), diese Schrift ist nicht nur 3500 Jahre älter sondern wurde auf der gegenüberliegende Seite der Erde geschrieben. Sie wird normal also nicht durch Umdrehen der Tafeln gelesen. Ähnlich sind beispielsweise die Zeichen für Mensch und Tiere. Doch warum sollte man irgendwann und irgendwo auf der Welt das Zeichen für Mensch anders als mit einem Kopfe, zwei Armen und zwei Beinen darstellen? |
Heutiges Schnitzen auf der Osterinsel
Die Holzschnitzereien auf der Osterinsel wurden ursprünglich überwiegend für kultische und repräsentative Zwecke und als Statussymbole gefertigt. Im erweiterten Umfang waren es auch Gebrauchsgegenstände, etwa Paddel, Schalen und einfache Gerätschaften. Besonders das Paddel hatte neben seiner ursprünglichen Funktion eine Spezifizierung erfahren und wurde beschnitzt und bemalt als Statussymbol hochrangiger Insulaner genutzt. Einmalig in ihrer Art sind die Kohau Rongo-Rongo, Schrifttafeln. Da Holz im Gegensatz zum Lavatuff, aus welchem die monumentalen Moai-Skulpturen bestehen, recht schnell durch Verwitterung oder Verbrennen verloren geht, ist nicht allzu viel von den alten Schnitzereien vorhanden. Die Rongo Rongo Tafeln sind im Original in den Museen der Welt zerstreut, auf der Osterinsel gibt es kein Original mehr. Bei dem Material Holz muss man davon ausgehen, dass wahrscheinlich in der Zeit vor der Entdeckung der Osterinsel durch den holländischen Admiral Roggeveen am 25.April 1722 und den späteren „Europäischen Importen“ endemische Hölzer und möglicherweise auch Schwemmholz als Schnitzmaterial genutzt wurden. Weiterhin standen für Kleinplastiken und Gravurarbeiten noch Walknochen zur Verfügung. Als Schnitzwerkzeug wurden Steinmesser verwendet, genauso wie bei vielen anderen Völkern. Hier dürfte es vorwiegend Obsidian gewesen sein, von dem man auch heute noch ausreichende Stücke auf der Insel finden kann. In der Neuzeit verwendet man das übliche Schnitzwerkzeug, Schnitzmesser und Stechbeitel europäischer und amerikanischer Hersteller. Für das Schnitzen großer Figuren wird heute, insbesondere für den Zuschnitt, die Motorkettensäge verwendet und anschließend für die Anlage die Texel, weltweit auch unter dem englischen Begriff „Adce“ bekannt. |
Rongo-Rongo-Tafel Erstaunlicherweise sind bei den historischen Schnitzarbeiten keine hölzernen Moais als kleine Nachbildung der großen abstrahierten Steinriesen zu finden. Im Gegensatz zur Neuzeit, wo massenhaft Holz-Moais in verschiedenen Größen hauptsächlich als Touristensouvenirs gefertigt werden. Die spirituellen Absichten sind fast ausnahmslos verloren gegangen, und die Souvenirschnitzerei bringt leider auch ein erhebliches Maß an Produkten in ungenügender Qualität mit sich. Das soll nicht heißen, dass es keine guten Schnitzer auf der Insel gibt. Einige von ihnen haben beachtliche handwerkliche und auch künstlerische Fertigkeiten. Meisterhafte Schnitzer sind die Brüder Pelero und Araki Pakaraki. Sie haben internationale Anerkennung erworben. Ihre Werke wurden in Galerien in New York, Tokio und anderen Städten ausgestellt. Den größten Anteil an den gegenwärtig gefertigten Schnitzereien auf der Osterinsel haben Nachbildungen der klassischen Motive.
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Anlage eines Moai Florale Motive sind zumindest eigenständig nicht zu finden. Abstrahierte Ornamentik hingegen ist sehr häufig. Die plastische Darstellungen, insbesondere der Moai Kava-Kava und der Vi’e Noho erfordert neben den fundierten handwerklichen Fähigkeiten auch gutes Formgefühl für die plastische Darstellung.
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Frisch geschnitzte Moai Kava-Kava der Brüder Pakaraki ( und ihre „Wächter“) |
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Inwiefern sich die Schnitzer (Männer und Frauen schnitzen gewerblich) autodidaktisch die nötigen Fertigkeiten aneignen oder von erfahrenen Künstlern gelehrt bekommen, ist nicht dokumentiert. Auf jeden Fall aber unterscheiden sich die Anforderungen an die Plastiker zu denen der Kohau Rongo-Rongo- Kopierer grundlegend. Eine solche Schrifttafel, ursprünglich geschnitzt aus dem Holz des endemischen Toromiro-Baumes, muss ausgeschnitten und an allen Kanten verbrochen und letztlich glattgeschliffen werden. Danach erfolgt das Aufzeichnen der Schrift nach schablonenartiger Technik. Mit feinen Messern und Stechbeiteln werden dann Schriftzeichen um Schriftzeichen in das Holz geschnitten, und zwar in der Form, welche man als „outline“ bezeichnet. Das bedeutet, dass die Zeichen nicht mit einfacher Linie eingraviert, sondern durch eine Linie um das Zeichen dargestellt werden. Der Schnitzer oder besser, Schreiber, beginnt mit dem Einritzen der Zeichen in der linken unteren Ecke und setzt ununterbrochen Zeichen an Zeichen, bis die Zeile rechts unten endet. Dann wird die Holztafel umgedreht und die nächste Zeile direkt angeschlossen begonnen .So wechselt die Schriftrichtung mit jeder neuen Zeile. Das Schriftsystem nennt man Bustrophedon. Diese Arbeit ist sehr aufwendig, erfordert Zeit, Geduld und Exaktheit, jedoch keine bildhauerischen Fähigkeiten. Es ist eine Fleißarbeit. |
Beim Schnitzen von Rongo-Rongo Replikas |
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Die Kreativität, neue zeitgenössische Formen zu entwickeln, hält sich in Grenzen. Das liegt sicher überwiegend an der Nachfrage, denn die Käufer, Touristen aus Amerika und der ganzen Welt möchten natürlich Nachbildungen der zum Teil rätselhaften alten Kunstwerke erwerben. So sind neue Formen im Bereich der Kleinplastik auch gekonnte Kombinationen der klassischen Motive. Als Beispiel seien Zeremonialstäbe mit Moai-Kopf und aufgesetztem Vogelmann-Kopf oder Schalen in Vogelform oder mit zwei Vogelköpfen genannt. Die Rongo Rongo Zeichen werden dabei gelegentlich als bereichender Ornamentfries mit verwendet, zum Beispiel am Schalenrand oder auf den Pectoralen (hölzerner Brustschmuck). Zeitgenössische, abstrahierte oder farblich betonte Werke, wie sie bei den Maori-Schnitzern in Neuseeland und den Natives der First Nation an der Nordwestküste Nordamerikas (USA/State Washington und Kanada, British Columbia; alles Pazifik-Anrainer) zunehmend anzutreffen sind, können hier nicht gefunden werden. Die Mischung ursprünglicher Motive mit inhaltlich christlich religiösen Holzschnitzereien ist in der einzigen Kirche der Insel zu sehen. Hier sind mit der Christianisierung der Insel vom Festland übernommene Heiligenmotive und Zeremonialgegenstände mit Formsprache und Ornamentik des alten Inselkultes auf pragmatische Weise verbunden. Sowohl der Taufstein als auch der Tabernakelschrein weisen traditionelle Formen der Insulaner auf. Der Tabernakelschrein ist in einem starken Stamm geschnitzt, der florale Motive (Wurzeln, Verästelungen, Palmenwedel) zeigt, das vor einer Aushöhlung zum Unterbringen des Abendmalkelches angebrachte Türchen mit Bandornamentik verziert. Eine etwa lebensgroße hölzerne Christusstatue trägt auf der Krone eine Darstellung des Vogelgottes Make Make und Vogelmann-Ornamente am Gewand, der Heilige Geist gar ist ein Mischwesen aus Vogel und Mensch. |
„Tabernakelbaum„ und „Mischwesen“ (Heiliger Geist), Kirche in Hanga Roa Text und Fotos: Dietmar Lang (2007) |