Bruder Eugéne Eyraud war der erste Missionar, der auf Rapa Nui arbeitete. Im Dezember 1864, nach seiner Rückkehr von der Osterinsel, schrieb er aus Valparaiso einen Brief an den Vater des Ordens des Heiligen Herzens von Jesus und Maria, nach Paris, in dem er über seinen ersten Besuch berichtete. Eyraud schildert darin reizvoll und informativ das Leben auf Rapa Nui in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Brief wurde in vielen Publikationen veröffentlicht und ins Spanische übersetzt. Die Übersetzer weilten im November 2002 im Museum von Hanga Roa und fanden die Korrespondenz von Bruder Eugéne.
Eyraud war am 2.1.1864 nach 24 Tagen Reise von Tahiti angekommen. Er hatte Kleidung und Holz, Mehl, Bibeln, Gebetsbücher, eine Glocke, fünf Schafe und Setzlinge von Bäumen mitgebracht. Das Schiff sollte in Anakena landen. An Bord waren auch vier Männer, eine Frau und ein Kind, die einst durch Piraten von der Osterinsel entführt wurden, die er zurückbringen wollte und von denen Eyraud einige Worte der Osterinselsprache erlernt hatte. Unter ihnen war der Junge Pana, seine Familie wohnte in Anakena. (Der Begriff Kanaken wird hier nicht als Schimpfwort gewertet sondern ist die Bezeichnung für melanesische Eingeborene in Neukaledonien, Südwestpazifik. Das Wort stammt von kanaka maoli, einer hawaiischen Bezeichnung für „Mensch“, Anm. PH)
Die Insulaner haben die Insel, ihre Heimat, mit den drei großen Hügeln zuerst gesehen. Das Land sei von der Spitze der Berge bis zu den Küsten gleichermaßen fruchtbar, überall war hohes Gras zu erkennen, aber keine Bäume oder andere hohe Pflanzen. Es gab Wasserlöcher aber keine Bäche.
Entlang der Küste sahen sie drei Buchten, wo man landen könne: Anakena im Norden, Hangaroa im Nordwesten und Vaihu im Süden.
Der Kapitän hatte Angst, an Land zu gehen, weil er befürchtete, mit Piraten verwechselt zu werden und schlug dann vor, die Einheimischen zuerst an Land zu schicken. Bruder Eyraud bestand aber auf der gemeinsamen Landung.
Das Schiff fuhr von Anakena nach Hangaroa. Der zweite Offizier namens Daniel, der ein bisschen Englisch und Französisch sprach, ging an Land und kam aber gleich wieder zurück, weil die Leute schrecklich aussahen, total nackt waren und ihn bedroht hatten. Sie schrieen wild, über die ganze Insel seien die Blattern ausgebrochen, die von Leuten aus Peru eingeschleppt worden seien. Nur in Anakena seien die Blattern noch nicht aufgetreten. Kurz vorher soll ein Schiff mit 100 Unglücklichen gekommen sein, von denen nur 15 überlebt und die Krankheit eingeschleppt haben. (Das waren offenbar Rückkehrer der vorher von Sklavenjägern aus Peru eingefangenen Insulaner. Mit dieser Bemerkung widerspricht Eyraud der oft zu lesenden Auffassung, dass in dieser Zeit nur noch 150 Menschen auf der Insel gelebt haben sollen, es waren 1200, siehe unten. Anm. PH)
Die Insulaner kannten die Krankheit und waren besorgt. Daniel schlägt vor, zurückzufahren, doch Eyraud lehnt ab und meinte, dass dies ja vorher bekannt war. Nun sollte er allein an Land gehen und mit dem geretteten Jungen nach Anakena wandern.
Die Mehrzahl der 1200 Männer, Frauen und Kinder waren nicht gerade beruhigend anzuschauen, schreibt Eyraud. Die Männer hatten Speere, aus Holz mit scharfen Steinen an der Spitze, ihre Gesichter wirkten fast europäischer als die von anderen Menschen in Ozeanien. Nur die Leute von Marquesas ähnelten den Osterinsulanern. Ihre Hautfarbe sei etwas kupfern, eine große Zahl war von weißer Hautfarbe. Gesichter und Körper waren in 1000 verschiedenen Arten bemalt und tatauriert, wozu die Menschen eine besondere Erdart und Saft von verschiedenen Pflanzen benutzten. Die Frauen verwendeten fast nur rote Farbe, die Männer alle möglichen Farben.
Daniel hatte sich geirrt und gedacht, es sind nur Männer, die ihm gegenüber standen. Alle besaßen nämlich eine gleiche Kleidung, ein Band aus Papyrus (sicher war Mahute gemeint, Anm. PH) um die Hüfte und mit einer Art Seil war das Haar gebunden. Ein zweites Bekleidungsstück wurde über die Schultern geworfen und um den Hals gelegt. Die Frauen hatten ihr Haar wie zu einem Stachel frisiert.
Die Einwohner feierten ihre zurückgekommenen Eingeborenen. Eyraud wollte weiter in Richtung Anakena wandern, doch er wurde zurückgehalten und sollte erst die für ihn gekochten Kartoffeln essen. Die Rast fand 23 Uhr nachts in einer Höhle statt, wo Frauen die Kartoffeln brachten. Am nächsten Tag lief Eyraud bis Anakena, das Schiff war in der Bucht, doch der Kapitän hatte Eyraud nicht gesehen und fuhr wieder mit seinen ganzen Sachen ab. Eyraud bedauerte am meisten, dass er seine Gebetsbücher nicht hatte. Die anderen Klamotten waren ihm eher egal. Später hatte der Kapitän das Gepäck doch noch in Hangaroa abgeladen. Als Eyraud wieder ins Dorf kam, hatte er das Knie verstaucht und Blasen an den Füßen, man bot ihm eine Trage an, dennoch hatte er Angst vor den Dorfbewohnern.
Dort boten ihm nun die geretteten Insulaner Süßkartoffeln an und er konnte sich das erste Mal in einem Haus umsehen. Die Mobilierung ist sehr einfach, das Geschirr besteht aus Kalebassen für den Transport von Wasser und einem kleinen Strohbeutel für den Transport der Kartoffeln. Die Häuser haben die Form, einer umgedrehten Muschel (heute sagen wir Bootsform, Anm. PH). Rahmen und Dach sind mit Stroh umwickelt, die Tür ist so niedrig, dass man liegend auf dem Bauch hereinrutschen muss. Es war ziemlich warm in den Häusern, die Hygiene nicht besonders gut, es gab viel Ungeziefer. Die Bewohner schlafen dicht nebeneinander, Kopf und Beine abwechselnd, so dass in der Mitte und an der Tür Platz bleibt, um noch rein oder raus zu kommen. Trotz großer Müdigkeit konnte Eyraud nicht schlafen und lauschte den Gesängen. Der Hausgott war eine Figur, die die Leute nicht beachteten und kein Gott, den Eyraud anbeten wollte.
Das Land beschreibt Eyraud hier als vulkanisch mit spitzen Steinen überall, dazwischen überall Gras und kaum erkennbare Pfade. Wenn es Pfade gibt, dann sind die schmaler als die Sohle eines Fußes, so dass man ein Fuß hinter dem anderen laufen muss.
In Hangaroa warteten schon viele laute Einheimische auf Eyraud. Der Kapitän hatte das Gepäck abgeladen, Eingeborene mit Speeren bewachten es. Aber gleichzeitig wurde fast alles geklaut. Einer der Wächter trug den Hut, ein anderer den Mantel weg, nur die mitgebrachten Holzstämme waren Eyraud geblieben. Er hatte aus Tahiti komplette Hüttenwände mitgebracht, auch sie waren noch da.
So galt es als besonders wichtig, die Hütte schnell aufzubauen, da die Wachen sein Eigentum „vor dem rechtmäßigen Besitzer schützten“. Die Insulaner gaben beim Bau der Hütte laufend Ratschläge, dann konnte er den Rest seines Eigentums in die Hütte schaffen.
Am nächsten Tag brachte ein Insulaner namens Temanu drei Hühner als Geschenk. Als sein Bewacher Torometi (oder sollte man sagen: Betreuer, Bürgermeister, Finanzbeamter oder Polizist? Anm. PH) dies sah, bot er ihm an, die Hühner für ihn zu kochen. Doch damit waren sie für immer verschwunden. So was habe sich während seines neun Monate dauernden Inselaufenthaltes immer wieder abgespielt.
Torometi war groß und stark, sollte aber kein Eingeborener sein und hatte eine große Familie.
Eyraud konnte schwer verstehen, woher seine Autorität stammte. Er hatte einigen Nachbarn was zu sagen und sein Einfluss über die Nachbarn, ging in Gefolgschaft über und wurde vermutlich später zur Gewohnheit.
Torometi war so der „Chef“ vom Pfarrer und auch noch sein Nachbar. Torometis Haus stand nur ein paar Schritte von seinem weg, aber nachts kam er zu ihm und hat gesagt, Eyraud solle die Tür aufmachen, worauf er sich dann in Eyrauds Hütte hinlegte und ihm gestattete dort auch zu schlafen.
Offenbar war Eyraud der Popa, der Fremdling, den jeder mal sehen wollte und den jeder versuchen sollte, richtig auszubeuten. Torometi betrachtete Eyraud und seinen Besitz als sein Eigentum und gab ihm jeden Tag dafür eine Portion gekochter Süßkartoffeln.
Der Pater hatte angefangen, die Einheimischen zu unterrichten. Außer Schlafen und dem Unterricht legt er einen kleinen Garten mit Gemüse an, und versuchte sich vor der laufenden Einmischung durch Torometi zu schützen.
Dreimal am Tag wurde zum Gebet geläutet. Im Unterricht hat er anfangs das Gebet immer nur wiederholt und dann den Insulanern erklärt, worum es geht. Leider habe es der Pater in neun Monaten nicht geschafft, einen Schüler heranzuziehen, aber ein paar Jungs und Mädels konnten wenigstens die Hauptgebete aufsagen. Viele haben die Wörter buchstabiert und fünf oder sechs konnten sogar relativ gut lesen. Eyraud schätzte das Resultat dennoch nicht gerade als brillant ein, aber die Eingeborenen wussten ja bis dahin nicht einmal, was Schule ist. Die Sprache Rapa nui zu lernen war für ihn schwieriger, als man sich das vorstellen kann. Die Eingeborenen haben immer die Fragen wiederholt.
Eyraud musste auch ständig für seine Schüler verfügbar sein. Sie haben an seine Tür geklopft und wenn er nicht gleich aufmachte, haben sie an seinem Haus gerüttelt, dann Steine, erst kleinere und dann größere ans Haus geworfen. Die Schüler wechselten, neue kamen hinzu und die, die es langweilig fanden gingen wieder.
Die Leute haben zwölf Monate im Jahr auf der Insel nichts zu tun. Nur einen Tag Arbeit gibt es bei der Ernte der Süßkartoffeln. Während der übrigen 364 Tage machen sie Spaziergänge, schlafen oder besuchen jemanden. Große Zusammenkünfte und Partys füllen den Rest des Jahres aus. Wenn eine Party an einem Ende der Insel endet, beginnt eine zweite woanders. Die Feste richten sich nach den Jahreszeiten. Im Sommer heißt das Fest „Paina“. Jeder Teilnehmer bringt genug zu essen mit, damit er das Fest durchhält. Das Essen wird in einer Linie aufgebaut, mit Zweigen bedeckt und wenn jeder mehrere Tage darum herum gelaufen ist, kommt der große Tag, wo sich alle auf die Kartoffeln und Süßkartoffel stürzen. Die das Essen bedeckenden Zweige werden gesammelt und daraus eine Art Säule, die sogenannte Paina gemacht.
Herbst und Winter sind Regensaison. Die Art der Feste ändert sich, nach Paina kommt Areauti. Dabei wird nicht mehr soviel herumgelaufen, es gibt kein Kartoffelbankett und große Häuser werden gebaut. Darin versammeln sich die Einwohner in Gruppen und singen. Die Verse sind sehr primitiv und sehr monoton. Thema sind die Erlebnisse der Insulaner, beispielsweise die Blattern. Während einer Party wurden auch Eyrauds Schafe gefangen, gebraten und gegessen und wieder darüber lange gesungen.
Das Frühlingsfest heißt Mataveri und dauert zwei Monate. Man trifft sich dazu auf einer Art Paradeplatz. Es gibt viel Bewegung mit Übungen, bis mit dem nächsten Fest Paina wieder der Sommer eingeläutet wird. Auf diese Weise wird es den Insulanern nie langweilig.
Festivals sind auch eine Möglichkeit, seine Habseligkeiten zu präsentieren. Jeder kommt mit seinen wertvollsten Besitztümern. Man trägt alles, was zu greifen ist und malt sich sorgfältiger als normal an. Die Frauen fangen damit früh am Tag an. Sie durchbohren auch ihre Ohrläppchen mit einem Holzstück und machen das Loch immer größer. Dahinein kommt eine Rindenrolle, die wie eine Feder wirkt und das Loch immer größer macht. Nach einer Weile wird das Ohrläppchen zu einer großen Schlaufe, die auf die Schulter wie ein Band fällt, was man während des Festes als besonders „liebreizend“ findet.
Man sieht jede Menge an Kopfbedeckungen wie Hüte mit angenähten Knöpfen, Kalebassen, ein halber Kürbiss, oder ein Seevogel, dessen Körper aufgeschlitzt und gereinigt wurde oder auch mal zwei Wassereimer auf dem Kopf. Ein anderer hat ein paar Stiefel von einem Peruaner gefunden, aufgeschnitten, zusammengenäht und so seinen Kopf beschuht, erzählt Eyraud. Man habe bei den Festtagen alles an sich herangebammelt, dessen man habhaft werden konnte. Männer tragen ein oder wenn sie ein zweites erbeutet haben auch gleich mal zwei Frauenkleider. Besonders glücklich sind die, die was finden, was noch Geräusche macht. Torometi hatte sich beizeiten vom Pater eine kleine Glocke geklaut, was ihm viel Applaus gebracht hat, wo immer er auch damit auftauchte. Zur „Verschönerung“ wurde teilweise stinkender Pflanzensaft auf den Körper und die Kleider gerieben.
Eyraud hat sich besonders über die kleinen Parasiten geärgert, die in den Hütten lebten, gefangen und sogar gegessen wurden.
In neun Monaten hatte Pater Eyraud den Eindruck gewonnen, dass die Religion bei den Osterinsulanern nur eine ganz geringe Rolle spielt. Niemals konnte er eine Zeremonie beobachten. In jedem Haus gab es viele bis zu 30 Zentimeter hohe Statuen. Sie stellten Mann, Fisch oder Vogel dar, ohne seien ohne Zweifel Götzen. (Das könnten die später von Heyerdahl beschriebenen und von den Insulanern für ihn nachgemachten Aku Aku gewesen sein. Anm. PH) Eyraud hat aber nie jemanden gesehen, der diese besonders beachtet hätte, nur ab und zu nahm jemand während des Tanzes so eine kleine Figur in die Hand. „Ich denke, die wissen nicht, warum sie das machen“, schrieb Eyraud.
Auch bei Todesfällen hatte er keine Rituale gesehen. Bei Krankheit besteht die Behandlung darin, den Patienten bei Tag aus der Hütte und nachts wieder ins Haus zu tragen.
Tote werden in Stroh gewickelt, zugebunden und gegenüber vom Haus an die Küste auf einen Haufen Steine oder ein Holzgerüst gelegt. An der ganzen Küste fand Eyraud ausgetrocknete Leichen.
Torometi hatte wieder mal etwas weggenommen und das nahm Eyraud zum Anlass, um mit ihm über das Leben nach dem Tod zu reden. Das hat ihm viel Ärger eingebracht, das Thema (Sehnsucht nach dem Sterben) wurde nämlich als Fluch angesehen. Torometi habe zwei Wochen mit ihm nicht geredet. Der Pater rät allen nachfolgenden Reisenden, das Thema nicht anzusprechen, denn der Aberglaube sei weit verbreitet.
In jedem Haus gab es noch Holztafeln, die bedeckt waren mit Hieroglyphen, berichtet Eyraud weiter. Die auf den Tafeln dargestellten Tiere existierten auf der Insel nicht. Die Zeichen werden durch Ritzen mit einem scharfen Stein hergestellt. „Jedes der Symbole hat einen Namen und es scheint, dass die Zeichen immer nur noch kopiert werden.“
2. Teil des Briefes
Die Kanaken können weder lesen noch schreiben, haben aber ein gutes Zahlenverständnis und für jede Zahl ein Wort. Sie messen die Zeit nach dem Mondjahr, doch scheinen sie die Details vergessen zu haben und diskutieren über die Anzahl der Mondzyklen. Pater Eyraud ist aufgefallen, dass immer wenn er über Sonnenaufgang, Monate und ähnliche Dinge gesprochen hat, sich alle um ihn herum wie Schulkinder versammelten. Als der Pater etwas aufschrieb vermuteten die Insulaner, dass er mit den Dingen, beispielsweise einem Schiff Kontakt aufnahm. Man fragte ihn, was er denn mit dem Schiff besprochen habe.
Die Insulaner sind genügsam und begabt, Handwerker gibt es nicht. Stroh wird geflochten und daraus werden Gürtel gemacht. Die Fasern der Purau-Pflanze zu Hüten verarbeitet.
Die Rinde des Mahute (Rindenbaststoff vom Maulbeerbaum, Anm. PH), geschlagen und gedehnt, dient als Futter für die Bekleidung. Werkzeuge waren die Finger der Insulaner und jeder Stein, den sie aufheben. Europäische Werkzeuge sind nicht bekannt. Zum Bartschneiden und Rasieren wird ein scharfer Stein genutzt. Das Nähen lieben die Insulaner. Besonders große Freude rufen Stoffstückchen hervor, die sie an ihre Kleidung nähen und damit dann aussehen wie ein Harlekin.
In der Landwirtschaft gibt man sich keine große Mühe. Es ist warm, der Boden fruchtbar und regelmäßig regnet es. Auch Pater Eyraud hatte mit seinem Gärtchen nur wenig Mühe. Die Gemüsesamen brachten gute Ernte, alle Pflanzen haben sich gut akklimatisiert, einige hat Torometi gestohlen und vor dem Neueinpflanzen austrocknen lassen. Das kleine Feld von Eyraud ist Stück für Stück verschwunden, von Nachbarn und Kindern zerstört. Zum Pflanzen brauchen die Kanaken nicht soviel Sachen. Die Landwirtschaft befindet sich in einem embryonalen Zustand. Wenn die Pflanzzeit für die Kartoffeln ran ist, wird ein spitzer Stock genommen, ein kleines Loch im Boden gemacht und die Pflanzkartoffeln reingelegt. Bei Weinpflanzen wird um den Setzling ein kleiner Haufen Erde angehäuft und das war alles. Den Boden lockern oder gießen kommt ihnen nicht in den Sinn.
Die Natur gibt somit den Insulanern wenig zu tun, nur kochen müssen sie noch, doch auch das ist einfach. Süßkartoffeln, werden jeden Tag gegessen, mal ein paar Hühner und ab und an fängt man einen Fisch, das ist aber nur privilegierten Insulanern, also wenigen gestattet. Erst isst der Mann, Frauen und Kinder können nach dem Ehemann die Knochen abnagen, die schon ein oder zweimal, abgeknaupelt worden sind.
Sonst herrscht im Speiseplan absolute Einförmigkeit, immer nur Süßkartoffeln nach polynesischer Art wie sie überall im Erdofen gekocht werden. Weil die Insulaner kein Blut vergießen wollen, werden die Hühner erwürgt. Einmal hat Eyraud ein Huhn mit einem Messer geschlachtet und eine Frau ist beim Zusehen fast in Ohnmacht gefallen.
Zum Töten von Hunden und Ziegen wird ein Loch gegraben und der Kopf des Tieres hineingesteckt und zugeschüttet. Nach dem Ersticken wird das Tier rausgeholt, die Haut abgezogen und der Körper zu den Süßkartoffeln in den Erdofen gelegt.
Eyraud vermutet, dass die Ansicht von menschlichem Blut auf die Insulaner ähnlich abstoßend wirkt. Obwohl seit den Peruanern Messer vorhanden sind, werden sie zu Kämpfen nie genutzt. Wenn man jemanden töten will, geschieht dies mit Steinen. So hat Torometi, wenn er mit dem Essen nichtzufrieden war, seine Frau mit Steinen beworfen, so dass die arme Kreatur am nächsten Tag nicht mehr laufen konnte.
Eyraud verbrachte viel Zeit damit, sich zu schützen und aufzupassen, dass nicht alles auf einmal weggenommen wird. Torometi wollte alles klauen und Eyraud konnte nichts weiter tun, als den Prozess zu verlängern. Doch Eyraud glaubte auch von einem anderen nicht besser behandelt worden zu sein.
Alle Kanaken werfen sich gegenseitig Diebstahl vor und das ist wahr. Wenn einer weniger stahl, dann hatte er keine Chancen oder nicht die Nerven dazu. Torometi hat alle Sachen von Eyraud als sein Eigentum betrachtet. Einmal musste der Pater alle seine Koffer öffnen und alles erklären, wozu es dient. Torometi hat sich gleich eine kleine Axt genommen, darüber gab es Streit. Es war die einzige Axt, die Eyraud bei sich hatte. Torometi hat sie niemals aus der Hand gelegt. Er hatte auch besonderes Interesse an der großen Glocke. Es kostete Eyraud viel Mühe, diese zu behalten.
Eyrauds Gartenfrüchte als Geschenke der Natur, sind noch ein zweites Mal gewachsen, die erste Ernte hatte Torometi geklaut.
„Sie werden sich wundern, dass ich so wenig Widerstand geleistet habe und nur dafür gesorgt, dass es nicht zu weit geht“, schreibt er. Er hatte Angst, dass die Eingeborenen sonst auch seine Hütte abgebrannt hätten. „Ich hatte es nicht nur mit Torometi sondern mit der Gesamtbevölkerung der Insel zu tun“.
Eyraud wusste, wenn er einen nicht in die Hütte reinlässt, würden sich alle ein Stück entfernt niedersetzen, Steine werfen und bald würde er aufgeben und das gewünschte Objekt rausgeben, anstatt sein Haus demolieren oder abbrennen zu lassen.
Schließlich hat er eine Kapelle gebraucht. Der Pater wollte, in den wenigen freien Momenten die er hatte, wo er nicht unterrichtete, einen Lehmbau schaffen und hat Erde genommen mit Salzwasser nass gemacht und mit getrocknetem Gras anstatt Stroh vermengt. In drei Monaten waren die Mauern für die Kapelle acht Meter lang, vier Meter breit und 1,3 Meter hoch. Die beginnende Regensaison hatte ihn abgehalten, weiter zu machen. Er bat auch Torometi, ihm zu helfen, doch der wollte kein Lehmhaus. Leider war die Mühe umsonst, weil der Winterregen und seine skrupellosen Nachbarn störten. Torometi hat danach das bereits getrocknete Gras für sein Küchenfeuer genommen.
Pater Eyraud wollte die ganze Insel mit den wichtigsten Plätzen besuchen und die Eingeborenen überall unterrichten. Als er Torometi dies mitteilte, war der zunächst dagegen, hat aber dann doch die Abreise genehmigt. Eyraud erreichte Temana (?) und hat dort Katechismus gelehrt und sich noch selber beglückwünscht, dass Torometi ihm das genehmigt hatte.
Dann erfuhr er, dass Torometi seine Abwesenheit genutzt hatte, um sein Haus auszuräumen.
Nach Eyrauds Rückkehr schaute Torometi überrascht, er hätte ihm ja nichts Böses getan, der Wind hätte die Fensterläden aufgeblasen und so für das Verschwinden vieler Gegenstände aus der Hütte gesorgt.
Der Winter war milde, aber dennoch frieren die Kanaken, es regnet regelmäßig, manchmal ist der Wind stark genug, um die See so aufzuwühlen, dass für ein oder zwei Wochen niemand landen kann. „In dieser Zeit hatten meine Kanaken wieder eine Idee“: Eyraud sollte ein Boot bauen, denn die Insulaner dachten, er kann alles. Holz sei ja genügend vorhanden und dann haben alle jedes Stückchen zusammengesammelt, egal ob gerade, schief oder verrottet, es wurde eine nationale Kooperation. Jeder Insulaner sollte bei so einem wichtigen Projekt etwas dazu beitragen, alle machten mit. Also musste Eyraud auch sein Holz rausrücken und hat dann etwas zusammengezaubert, was wie ein Boot aussah. Die Kanaken wollten das Boot wasserdicht machen, eine bestimmte Lehmart wäre dazu geeignet, fanden die Einwohner.
Eyraud hatte zunächst Angst, ausgewählt zu werden, das Boot zu steuern. Doch noch ehe der Lehm trocken war, ist das Boot zu Wasser gelassen worden. Die Eingeborenen haben sich mit Hemden und Hosen angeputzt, die Klamotten stammten vom Pater. Torometi hatte die Frechheit, noch seine Unterhosen zu stehlen. Eyraud nahm den Dieb beim Arm und warf ihn aus der Tür, doch der hatte eine Axt in der Hand und verletzte den Pater. Das Blut erschreckte die Eingeborenen und Torometi gab seine Beute her. Von seiner Hütte aus beobachtet Eyraud, wie das Boot brutal über die Steine geschoben wurde, jeder wollte am Abenteuer teilnehmen. So wie das Boot ins Wasser kam lief das Wasser ins Boot und war schnell voll.
Doch das bevorstehende Mataverifest kam jetzt und die Bootsgeschichte war schnell vergessen. Jeder war aufgeregt, besonders Torometi, der noch den Rest der Sachen von Eyraud wollte. Er wolle sie verstecken, weil jemand plane, die zu stehlen, argumentierte er gegenüber Eyraud. Als Verstecke seien die tiefen Höhlen mit engen Eingängen, die schnell mit wenig Steinen zuzudecken seien, geeignet. Eyraud bestätigt in seinem Bericht, dass jeden Moment die gesamte Bevölkerung in den Höhlen verschwinden könne.
Eyraud hat die Herausgabe seiner Sachen ablehnt, doch Torometi, sein Bruder und seine Frau haben ihn gezwungen. Nur eine Matratze und eine Schachtel für Werkzeuge wurde ihm gelassen und alles andere weggetragen. Das war ihm noch nie passiert.
Bislang hatte man ihn nur angebettelt und gedroht aber nie Gewalt angetan. Nun war letzte Schranke gefallen und der Pater hatte Angst um sein Leben. Er wartete auf die Gelegenheit zur Flucht. Er zog mit Leuten von Anakena los, die auch gut auf ihn aufpassten, weil sie ihn auch ausrauben wollten. Torometi tauchte mit anderen Bewohnern auf, doch er wollte nicht mitgehen. Daraufhin wurde er niedergeschlagen und man trug ihn an Armen und Beinen gehalten, weg. Nach etwa zwei Kilometern fühlte Eyraud sich fast in Stücke gerissen und bat darum, wieder laufen zu dürfen. Man gab ihm daraufhin seine Schuhe wieder.
Zu Hause erwartete ihn eine Überraschung. Torometi hatte die meisten seiner Sachen, die er gestohlen hatte, in seine Hütte zurückgelegt. „Du dachtest ich sei ein Dieb, doch das war ein Missverständnis. Ich habe nur auf die Sachen aufgepasst, sagte er. Du gehst zu Leuten, die nicht einmal eine Süßkartoffel für dich haben, sagte er. „Ich war verwirrt, habe verstanden, dass Torometi Recht hatte und ich meine Sachen nie wieder sehen würde, nur beschädigte und leere Koffer fand ich vor,“ schrieb Eyraud.
Torometi wurde inzwischen von jedem gehasst und eine Menge Leute stellten sich vor seiner Hütte auf und sprachen zur gleichen Zeit. „Die Diskussion wurde hitzig, obwohl ich nichts verstanden hatte, war es leicht zu sehen, dass das schlimm enden würde. Ich kam aus meiner Hütte und setzte mich in geringer Entfernung hin. Torometi kam aus seiner Hütte und nahm nicht an der Diskussion teil. Ich wollte weg, konnte aber auch meine Hütte nicht unbeobachtet lassen.“
Ein paar Mutige haben dann versucht, Torometis Hütte umzukippen. Sie geriet in Flammen und das Feuer war in wenigen Minuten vorbei. Torometi saß neben dem Feuer, einer seiner verbliebenen Freunde zog ihn vom Feuer weg. Ich hatte Angst, dass meine Hütte auch brennt, aber es gab keinen Versuch. Einige Kanaken haben mit Speeren sogar die Hütte bewacht.
Als die Hütte Torometis nieder gebrannt war hatte der Mob dass berühmte Boot entdeckt und wollten das kaputtmachen. Torometi wollte gehen und Eyraud mitnehmen. Sie gingen in Richtung Mataverifest und eine Meute verfolgte sie. Die Diskussion setzte sich fort, plötzlich nahm man Eyraud den Hut weg und mehrere Hände griffen nach Mantel, Weste und Schuhen.
Dann zerstreute sich die Meute. Torometi wollte zur Hütte von Eyraud zurückgehen und ein paar Sachen retten. Doch in der Hütte war es dunkel und die Füße stießen an Steine. Man hatte sie durch das Dach vollkommen ausgeräumt.
Am nächsten Tag wollte Torometi nach Vaihu weiterziehen, doch das Haus seines Bruders wurde auch abgebrannt.
In Vaihu begann Eyraud wieder den Unterricht mit neuem Enthusiasmus. Nach einer Woche erklärten die Kinder, dass ein Schiff käme. Es fuhr aber nach Süden und war nachts nicht mehr zu sehen. Am nächsten Tag gegen 8 Uhr kamen die Kinder wieder und erzählten vom Schiff in Anakena. Torometi suchte den Pater. Es war ein Schiff mit französischer Flagge und keine Piraten. Ein kleines Boot wurde zu Wasser gelassen. „Torometi hat mich auf die Schultern genommen und zum Boot getragen“, schrieb Eyraud.
Vater Barnabe saß im Boot und bat Eyraud, viele Tipps für eine künftige Mission auf der Osterinsel zu geben.